Endlich ist es soweit. Vor knapp einem Monat habe ich meine letzte Prüfung geschrieben. Steuerrecht. Die elfte von elf fünfstündigen Klausuren im Rahmen meines Referendariats.
Als ich vor einigen Jahren - es ist fast ein Jahrzehnt her - mit der juristischen Ausbildung in Bayern begonnen habe, hätte ich nicht gedacht, dass es so lang und ermüdend ist. Das Studium der Rechtswissenschaft ist an für sich nicht besonders schwierig. Zwar sind die Zwischenprüfungen teilweise schon etwas schwieriger - wir hatten meist zwischen 30-60% Durchfallquote - aber sonst kann man 2-4 Jahre relativ entspannt vor sich hin studieren und Klausuren schreiben. Am Ende zählt es sowieso nicht. Ich habe mich, da ich ein Stipendium hatte, von Anfang an angestrengt, da ich die finanzielle und ideelle Unterstützung nicht verlieren wollte. Daher war es für mich nur in den Ferien wirklich entspannt. Oder wenn ich mir "Freizeiten" herausgenommen hatte.
Der "Turning Point" des ganzen ist spätestens die Examensvorbereitung: Das Repetitorium. An manchen Uni-Standorten ist es fast schon verpflichtend ein kommerzielles Rep zu besuchen. Man zahlt also Geld, um sich für das Examen vorzubereiten. An meinem Universitätsstandort war glücklicherweise ein relativ gutes Uni-Rep vorhanden, weshalb ich mir einige Hundert - oder gar Tausend Euro sparen konnte. Wobei man am Ende doch selbst lernen muss. Da hilft kein noch so gutes (und teures) Rep.
Und dann kommt irgendwann die Phase in der man die erste Krise bekommt. Bei den meisten ist es etwa ein halbes Jahr vor den Prüfungen. Man merkt immer mehr, wie viel man nicht weiß, je mehr man lernt. Und gefühlt wird es auch nicht besser. Mit der Zeit beginnt dann auch der Kampf gegen das Vergessen. Denn neben dem "neuen" Stoff, den man sich während des Reps aneignet, muss man ebenfalls versuchen, das was man bereits gelernt hat nicht wieder zu vergessen.
Einige Wochen vor dem Examen beginnt dann die Phase in der man einsieht, dass man nichts mehr ändern kann. Man lernt noch ein wenig vor sich hin, schreibt Klausuren und versucht nicht verrückt zu werden.
Die Phase des Examens ist verschieden. Ich hatte eine relativ entspannte Woche und war nur jeweils vor den Klausuren etwas nervös, wobei die Nervosität mit der Zeit stark abgenommen hat.
Das Glücksgefühl nachdem die Prüfungen endlich vorbei sind, ist unbeschreiblich. Freiheit, kein Stress - gut, es dauert eine gewisse Zeit. Der einzige Wermutstropfen ist, dass am Ende des Horizonts meist ein zweites Staatsexamen wartet. Und ein Referendariat.
Die Zwischenzeit zwischen den schriftlichen Prüfungen des ersten Examens und dem Referendariat (oder einer Promotion oder sonstigen Beschäftigung) wird noch von der mündlichen Prüfung "geziert". Da man als Jurastudent nahezu nie mündliche Prüfungen hat, ist das Gefühl schon sehr komisch und die Aufregung auch entweder gleich hoch oder noch höher als vor den schriftlichen Prüfungen. Immerhin dauert das ganze nur einen Vor- oder Nachmittag lang und die effektive Vorbereitung beginnt erst mit der Bekanntgabe der Prüfer und dem Abholen der Prüfungsprotokolle.
Wie es dann weitergeht ist von Person zu Person verschieden. Ich habe danach noch bei einer Kanzlei gearbeitet, bevor es dann mit dem Referendariat los ging. Viele promovieren oder machen einen LL.M. dazwischen.
Das Referendariat ist dann die "Praxisausbildung". Bei uns war coronabedingt nicht viel mit Praxis. In der Zivilstation (erste Station) und Verwaltungsstation (dritte Station) habe ich nahezu gar keine Praxis erlebt, lediglich in der Straf- und Anwaltstation konnte ich ein wenig reinschnuppern.
Aber zumindest bei mir war es mehr theoretischer Unterricht, als tatsächliche Praxisausbildung. Vielleicht ist das auch nur hier in Bayern der Fall.
Und am Ende läuft es darauf hinaus, dass man auf das zweite Examen lernt. Hier sind die Unterschiede je Bundesland nochmals deutlich größer, als im Ersten Examen. Bei uns waren es 11 fünfstündige Prüfungen, von denen eine im Steuerrecht und eine im Arbeitsrecht war. Anders als in den meisten anderen Bundesländern, sind nicht nur Grundlagen im Erbrecht notwendig, sondern tatsächlich relativ tiefgehende Kenntnisse.
Sonst sind die Phasen vergleichbar mit dem ersten Examen. Stress, Angst, Resignation.
Es gibt auch die positiven Erlebnisse: Während man in den ersten Semestern nur kleine Episoden des Rechts lernt, fügt sich im Rep und später im Ref immer mehr ein Gesamtbild zusammen. Man versteht, wie die einzelnen Bereiche miteinander und ineinander greifen und es macht plötzlich Sinn.
Auch im Referendariat gibt es viele Dinge, die positiv hervorzuheben sind. Und anders. Ich habe im Studium Strafrecht gehasst. Die Station bei der Staatsanwaltschaft war mit Abstand die interessanteste Station. Ich durfte ab dem zweiten Termin selbstständig den Dienst übernehmen. Und mit "Herr Staatsanwalt" angesprochen zu werden ist schon eine besondere Erfahrung. Aber natürlich nur nebensächlich.
Insgesamt ist die Ausbildung meines Erachtens nach aber nicht nur rückständig, sondern auch in vielen Bereichen psychisch höchst problematisch. Auch die Fixierung auf die Noten ist in meinen Augen höchst problematisch. Dies kommt vermutlich daher, dass sehr viele Juristen in den Staatsdienst gehen und dieser Noten für den objektivsten Standard hält.
Würde ich es nochmals machen? Ich weiß es nicht. Ich freue mich schon sehr auf die berufiche Zukunft, bin aber sehr froh, dass die Ausbildung endlich zu Ende ist.
Servus,
@andy-plays